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Schichtarbeit

Der Schichtarbeiter lebt in einer normalen Umgebung, arbeitet und schläft jedoch zu unnatürlichen Tageszeiten. Der Organismus kann sich dieser veränderten Lebensweise nicht anpassen und reagiert mit vielfältigen Beeinträchtigung. Dies betrifft vor allem zwie Bereiche: am Tag zu schlafen und in der Nacht wach zu bleiben. Die Folge sind vor allem Schlafstörungen und Leistungsbeeinträchtigungen, auf Dauer aber auch weitergehende körperliche Erkrankungen. Durch Beachtung chronobiologischer und arbeitshygienischer Strategien kann das Ausmaß dieser Störungen reduziert werden.

Grundlagen

Das Gebiet der Chronobiologie befaßt sich mit den wissenschaftlichen Untersuchungen und Anwendungen zum rhythmischen Verlauf biologischer Funktionen. Gesteuert wird diese Periodik von einem endogenen Steuerungssystem (innere Uhren). Verschiedene Periodenbereiche lassen sich feststellen, wobei für den Menschen tagesperiodische Schwankungen (zirkadiane Rhythmen) von großer Bedeutung sind. Externe Reize (Zeitgeber) synchronisieren die endogen erzeugte Periodik mit unserem 24-Std. Tag-Nacht-Wechsel. Der wichtigste Zeitgeber ist das Licht.

Die physiologische Uhr

Der Frage nach der Verursachung dieser Periodizitäten wurde in chronobiologischen Untersuchungen nachgegangen, in denen Versuchspersonen für längere Zeit (ca. 4 Wochen)  von der Umwelt isoliert lebten und keine Kenntnis der Uhrzeit hatten. Es zeigte sich, daß die periodischen Schwankungen weiterhin stabil verlaufen und Schlafen und Wachen wie auch die Körpertemperatur weiterhin einen streng tagesperiodischen Wechsel zeigten. Der Schlaf-Wach Wechsel bedingt nicht den täglichen Wechsel der verschiedenen Funktionen, da auch bei längerem Schlafentzug die Periodik nahezu unverändert weiterläuft. Der „Tag“ unter Isolationsbedingungen betrug jedoch im Mittel 25 Std. und wich so deutlich von unserem natürlichen 24 Std.-Tag ab. In der Umwelt ist eine solche Periodizität nicht vorhanden und somit muß davon ausgegangen werden, daß ein inneres Steuerungssystem für den Ablauf der verschiedenen Funktionen verantwortlich ist. Ein solches endogenes Zeitprogramm hat die Eigenschaft biologischer Uhren, die den Ablauf von Prozessen im Organismus und die Abfolge seiner Handlungsweisen bestimmen. Durch diesen inneren Mechanismus wird der Organismus rechtzeitig auf Veränderungen in der Umwelt und auf notwendige Handlungsweisen vorbereitet, ohne daß hierzu externe Signale notwendig sind. Zusätzlich erlaubt dieses System endogener Uhren auch ein interne Koordination der verschiedenen Funktionen im Hinblick auf eine möglichst effektive Tätigkeit. Hierdurch wird überhaupt erst ein ungestörtes Funktionieren des Organismus ermöglicht. Eine wichtige Schaltstelle der biologischen Uhr ist der Nucleus suprachiasmaticus im anterioren Hypothalamus. Mit seinen afferenten und efferenten Nervensträngen erhält er Lichtinformationen von der Retina. Die Retina des Auges ist beim Menschen und anderen Säugetieren die Schnittstelle, über die Licht in das Gehirn eintritt. Die Netzhaut ist jedoch selber bereits zyklischen Veränderungen unterworfen, die maßgeblich zu deren Lichtempfindlichkeit beitragen. Neuere immunohistochemischen Techniken konnten zeigen, welche Neurotransmitter und Neuropeptide an der Synchronisation endogener Rhythmen mit dem externen Hell-Dunkel-Zyklus beteiligt sind.  Weitere Untersuchungen erbrachten, daß das Pinealhormon Melatonin eine wichtige Rolle als "Zeiger der biologischen Uhr" spielt. Dieses Hormon wird von der biologischen Uhr gesteuert und periodisch ausgeschüttet. Licht kann diesen Vorgang unterdrücken. Melatonin wirkt als Schnittstelle zwischen dem Licht und dem Organismus. Licht und Melatonin wirken entgegengesetzt und bestimmen die zeitliche Abfolge der verschiedenen Funktionen des circadianen Systems, einschließlich Schlafen und Wachen. Melatonin kann sedierend wirken und das Reproduktionssystem hemmen. Melatonin scheint auch das Immunsystem zu beeinflussen und eine mögliche zellprotektive Funktion zu besitzen (Radikalenfänger), aber auch das Wachstum bestimmter Tumore zu fördern.

Unter Schichtarbeit wird Arbeit zu wechselnden Tageszeiten (Früh- Spät- und Nachtschicht) oder zu konstanter ungewöhnlicher Zeit (Dauernachtschicht) verstanden. Der Anteil der Schichtarbeiter an der Zahl der Beschäftigten beträgt über 10%. Dieser Anteil ist in den meisten Branchen steigend. Vor allem bei der Nachtschicht ist der Schichtarbeiter gezwungen, zu einer Zeit zu schlafen, in der unsere Umwelt Tag signalisiert und zu arbeiten, wenn diese Nacht anzeigt. Da die innere Uhr im Wesentlichen durch das Tageslicht, aber auch durch soziale Reize auf unseren „24-Std.-Tag“ synchronisert wird und diese zeitliche Konstellation sich beim Schichtarbeiter nicht ändert, verbleibt seine innere Uhr in der normalen Phasenlage, wie beim „Nicht-Schichtarbeiter“. Dies besagt, daß der Schichtarbeiter gegen seine innere Uhr und gegen den natürlichen 24-Stunden-Tag schläft und arbeitet. Er ist gezwungen während der Aktivitätsphase des Organismus zu schlafen und in der Ruhephase zu arbeiten. Auch nach vieljähriger Schichtarbeit weist der Rhythmus einen gestörten Verlauf auf, da sich diese endogenen Regulationsmechanismen nicht umstellen. Vor allem während der Nachtarbeit lebt der Schichtarbeiter somit permanent gegen seinen inneren biologischen Rhythmus an.

 

Beschwerden

Auf längerer Dauer führt dies zu gravierenden körperlichen und psychischen Schädigungen. Herz-Kreislauf Störungen sowie gastrointestinale Beschwerden werden am häufigsten unter den organischen Erkrankungen genannt. Magenbeschwerden geben zum Beispiel 80% eines Kollektivs von Nachtarbeitern an. Neben den neurovegetativen Beschwerden: „Innere Unruhe, Nervosität und vorzeitige Ermüdung“ werden Schlafstörungen genannt. Letztere werden von bis zu 95% der Schichtarbeiter (mit Nachtschicht) und bis zu 55% der Dauernachtarbeiter aufgeführt. Aber auch 70-90% der ehemaligen Schichtarbeiter klagen noch über Schlafstörungen, obwohl sie wieder im normalen Arbeitsrhythmus tätig sind.

Der Tagschlaf ist nicht als verschobener Nachtschlaf anzusehen. Bei kontinuierlicher Schichtarbeit verschlechtert sich die Qualität des Schlafes zunehmend. Als besonders belastend wird die Wechselschicht angesehen. Bei den Dauerschichten ist neben der Nachtschicht die Frühschicht problematisch, während die Spätschicht als deutlich weniger belastend angesehen wird

Unter Schlafstörung bei Schichtarbeit werden man Ein- oder Durchschlafstörungen und übermäßige Schläfrigkeit und verringert Leistungsfähigkeit am Tage im zeitlichen Zusammenhang mit einer Schichtarbeit verstanden. Chronisch ist diese Störung, wenn sie länger als 3 Monate auftritt. Ausgeschlossen werden müssen andere Ursache für diese Schlafstörung. Schichtarbeit, über Jahre hinweg, führt zu einem deutlich erhöhten Risiko für Erkrankungen. Neben Schlafstörungen spielen hier Magen-Darm-Erkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen und auch Krebserkrankungen eine Rolle. Hauptursache dieser Erkrankungen scheint die Störung der biologischen Rhythmik und vor allem des Schlaf-Wach Wechsels zu sein. Da der Schlaf nicht mehr zur biologisch richtigen Zeit stattfindet, wird die Arbeit der Verdauungsorgane und auch des Immunsystems beeinträchtigt. Inwieweit Melatonin hierbei eine Rolle spielt, ist noch offen.