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Der Schulbeginn

Wann sollen wir denn unsere lieben Kleinen in die Schule schicken? Um 7 Uhr, 8 Uhr oder später? Alle Jahre wieder kommt dieses Thema auf, wird sogar in Landtagen behandelt - und verschwindet wieder.

Seit dem Jahre 2000 habe ich das Thema in die Öffentlichkeit gebracht (Focus Nr. 49, 4.12.2000) und einen späteren Schulbeginn gefordert. Im Bundestag, im Berliner Senat und in Landtagen wurde meine Initiative aufgegriffen und von Politikern, Schulbehörden, Lehrern und in der Presse diskutiert. Bereits vorher hatte ein hessischer Landtagsabgeordneter für einen späteren Schulbeginn plädiert. In einigen Schulen wurde der spätere Schulbeginn bereits umgesetzt. Neben Schulen in Bremen und Hamburg waren es 2005 die fränkische Grundschule Wiesenthau und 2016 das Dalton Gymnasium in Alsdorf.

Was ist an diesem Thema dran? Wir wissen, dass unser Schlaf-Wach-Bedürfnis und unsere biologischen Rhythmen den Tagesablauf bestimmen. Eine bestimmte Qualität und Quantität Schlaf, zum richtigen Zeitpunkt "genommen", bestimmen unsere Leistungsfähigkeit, die auch unabhängig vom Schlaf einen Tagesgang absolviert und uns im Laufe des Vormittags zur Höchstleistung ansteigen lässt. Darin stimmen zwar die meisten Menschen überein, wenn einige von uns auch als Abweichler eher zum Abendtypen, genannt Eule oder zum Morgentypen, der Lerche tendieren. Viele Faktoren beeinflussen dies - unser genetisches Erbe zum Beispiel sowie auch das Alter. Und damit sind wir bei unserem schulpflichtigen Nachwuchs. Kollidiert der Schulbeginn um 8 Uhr oder früher mit dem Schlafbedürfnis und den biologischen Rhythmen unserer Lieben? Sowohl die Erfahrungen aus den Schulen und die der Eltern belegen, dass für viele 8 Uhr zu früh ist. Vor allem bei langen Anfahrtswegen müssen die Kleinen viel zu früh aufstehen. Niemand wird bestreiten, dass 5:15 Uhr für Kinder im Grundschulalter zu früh ist. Hier wird der wertvolle Schlaf abgeschnitten. Übermüdet in die Schule zu gehen, fördert weder die Lernmotivation noch die tatsächliche Leistungsfähigkeit, die um 8 Uhr bei den Schülern ohnehin so schlecht ist wie um Mitternacht, sagen Freiburger Kollegen.

Die Datenlage ist aber noch nicht überzeugend genug. Untersuchungen hierzu kommen im Wesentlichen aus den USA mit anderen Gewohnheiten und Lebensstil. Dort konnte tatsächlich gezeigt werden, dass ein späterer Schulbeginn zu mehr Schlaf führt, die Schüler wacher waren und bessere Leistungen ablieferten. Aber das war ein Experiment. Wie verhält es sich, wenn dieser späterer Schulbeginn erst einmal Alltag wird?

Und außerdem, um das Ganze noch komplizierter zu machen, scheint ein Alterseffekt auch eine wichtige Rolle zu spielen. Kinder im Alter bis ungefähr 12 Jahren scheinen keine Probleme beim Frühaufstehen zu bekommen. Sie sind - altersbedingt Lerchen, werden dann aber zu Eulen. Schon vor Einstieg in die Pubertät wandelt sich das Bild und aus Lerchen werden Eulen. Gut belegt ist diese Rückverlagerung der biologischen Rhythmen und das vermehrte Schlafbedürfnis unserer Heranwachsenden. Es ist nicht primär der Discobesuch, die sie so spät ins Bett kommen lässt, es ist die innere Uhr. Das Hauptproblem ist der nächste Morgen. Eine "Eule" ist um 8 Uhr noch nicht ansprechbar. Dass diese Morgenmüdigkeit ein Dauerproblem wird, bleibt nicht zu befürchten. Spätestens ab dem 25 Lebensjahr wandelt sich die Eule wieder langsam in Richtung Lerche, was bei den meisten aber so richtig erst im Alter zum Tragen kommt und dann von den Bösartigen unter uns als präsenile Bettflucht bezeichnet wird.

Aber kommen wir zur Schule zurück. Gerade die Heranwachsenden haben so ihre Probleme mit 8 Uhr Schulbeginn. Für sie wäre es ideal, wenn sie erst später in die Schule müssten, so wie in Frankreich oder England, wo die Schule selbstverständlich später beginnt. Wenn es nur so einfach wäre.

Was auch ein Rolle spielt und gerne übersehen wird ist der Sonnenaufgang und -untergang, der unsere innere Uhr beeinflusst und auch bestimmt, wann wir morgens wach und abends müde werden. Und das ist im Osten nun einmal früher als im Westen, auch innerhalb einer Zeitzone. Von daher ist es wohl kein Zufall, dass die Schule in Frankreich später beginnt und in der früheren DDR der Tag früher begann.

Aber das Leben ist noch komplizierter und wir können nicht nur den Standpunkt der Schüler sehen. Eine Änderung des Schulbeginns würde nämlich so manches nach sich ziehen. Wie können die Eltern ihre Kinder in die Schule bringen? Ein späterer Beginn der Schule - da winkt der Nachmittagsunterricht. Wie soll dann die Mittagspause und das Mittagessen organisiert werden? Logistische Probleme, die uns aber nicht davon abhalten sollen, das Problem, unabhängig von politischen Klimaveränderungen einmal anzupacken. Dazu fehlen erst einmal ordentliche Studien, die zeigen, dass sich in unseren Landen ein späterer Schulbeginn für die Schüler positiv auswirkt. Das nächste wären konkrete Überlegungen, wie dies organisatorisch umgesetzt werden könnte. Lohnen würde sich und ich würde es mir auch wünschen, dass die Schule sich auch nach den biologischen Bedürfnissen der Schüler ausrichtet. Vielleicht gehört ja dann Pisa der Vergangenheit an und wir können unser Anliegen, dass der Schlaf eine wichtige Notwendigkeit ist, untermauern.  

nach: Zulley J (2006) Der liebe Schulbeginn. das schlafmagazin 1, 14

(Prof. J. Zulley)